Der Pranger


Auf dem Marktplatz von Steinakirchen steht noch heute der Pranger, der an die alte Gerichtsbarkeit erinnert. Er ist aus Stein gemeißelt und trägt eine männliche Figur, das „Prangermandl" oder „Eiserner Roland" genannt.

Im Jahre 1683 belagerten die Türken die Stadt Wien. Sie drangen auch in unsere
 Gegend vor und verwüsteten das Land.

Viele Leute flüchteten vor
 Angst und Schrecken mit ihren Habseligkeiten in die Berge und Wälder. Die Bewohner von Steinakirchen flohen auf den nahen Haberg. Bald konnten sie von ihren Verstecken aus Rauch und Feuer aufsteigen sehen. Wolfpassing war von den türkischen Horden in Brand gesteckt worden. Kurze Zeit später brannte auch Steinakirchen. Alle Häuser des Marktes wurden von den Flam­men vernichtet.

Lange wagte sich niemand in den Ort. Als jedoch die Wassernot in den
 Verstecken immer größer wurde, stiegen zwei mutige Burschen in der Nacht ins Dorf hinab, um frisches Wasser zu holen. Da beide heil zurückkamen, schlossen sich jedes Mal mehr Leute an.

Bei keinem dieser „Ausflüge" fühlten sie sich in Gefahr, deshalb durchforschten sie eines Morgens das Dorf. Zu ihrer Freude merkten sie, dass ihre Keller nicht geplündert worden waren. Ein junger Bursch wagte sich sogar über die Erlauf.  Da hörten die übrigen plötzlich Lärm. Sie sahen, wie ihr jun­ger Freund, verfolgt von türkischen Reitern, zum Marktplatz rannte. Beim Pranger holten ihn die Türken  ein und nahmen ihn gefangen.

Ein baumlanger Janitschar (Türke) drohte dem Burschen mit dem Säbel
 und deutete auf das Prangermandl. Er wollte wahrscheinlich wissen, ob sich in der Nähe Soldaten versteckt hielten. Da die steinerne Figur Helm und Panzer trug, dachte der Bursch: „Diese Türken wollen sicher die Figur haben". Er gab ihnen zu verstehen, sie sollten ihm die Hände freimachen.

Jetzt konnte der junge Mann auf die Säule klettern, um die Figur herun­
terzuholen. So sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht. Ungeduldig zerrten die Türken den zitternden Burschen von der Säule.  Ihre Säbel blink­ten über seinem Kopf.

In diesem Augenblick stürzten die anderen Männer aus ihren Ver­stecken hervor. Mit Hacken und Steinen überfielen sie die Türken, die von diesem Angriff völlig überrascht waren. Nach kurzem Kampf waren diese überwältigt.

Die Erschlagenen wurden unter dem Schutt der zerstörten Häu­ser verscharrt. Die Pferde und Waffen der Türken nahmen die Steinakirchner in ihre Verstecke mit.

Der kleine Ort Steinakirchen war ganz ausgebrannt. Mehr als zehn Jahre vergingen, bis sich der Ort von den Verwüstungen durch die Türken erholt hatte.